„Die Tennis Borussen sind Klasse“

2. August 1925: TeBe gegen 1. FC Nürnberg
16. August 1925: 1. FC Nürnberg gegen TeBe

Der deutsche Meister kommt, und was will man schon erwarten? Aus Berlin kommen doch nur Durschnittsmannschaften, heute erwartete man den sicheren Sieg der Nürnberger.

Mit entsetzlicher Verspätung treffen die Franken samstags am Anhalter Bahnhof ein, eine zahlreiche Korona wartet frierend und durchnässt, aber erwartungsvoll und neugierig auf die Meisterkicker. Im ruhigen, gemächlichen Landregen macht sich die Meute in einem Autokorso aus acht Wagen auf den Weg ins Clubheim, den Nordischen Hof in der Invalidenstraße 126. Beide Mannschaften dinieren zusammen, trinken auch ein Schöppchen, bevor sich die Gäste früh verabschieden.

Der Spieltag beginnt, wie der Anreisetag endete.

Der Himmel setzte kein sehr freundliches Gesicht auf. … Auf der Fahrt nach dem Tempelhofer Felde sah man überall gestaute Massen, die Unterschlupf suchten vor dem immer stärker werdenden Regen, und Restaurants und Konditoreien füllten sich auf dem Wege. Ein sicher nicht kleiner Teil zog es vor, sich dem unentwegten Regen durch die Flucht in die heimischen Penaten zu entziehen. Absolut dem Wetter entsprechend war das Gesicht unserer Kassierer. Michelangelo hätte sicher Pryzybilskis Gesicht als Vorbild für einen Entwurf genommen, aber die Zeit, der heilende Faktor, hatte auch mit uns ein Einsehen. Der Regen ließ nach, und das Kassenergebnis war besser, als man unter sotanen Umständen erhoffen durfte.

6.000 sind es, die das Spiel trotz der widrigen Umstände sehen wollen. In den ersten Minuten geht Nürnberg energisch in Front. Das Verteidiger-Duo Brunke und Schönherr müht sich anfänglich sehr, dem Nürnberger Sturm und Drang Paroli zu bieten. Nach zehn Minuten hatten sie aber den Braten gerochen und gewinnen ihre Ruhe wieder. Einmal lässt Schönherr den Nürnberger Linksaußen Fuchs allzusehr aus dem Auge. Aber ohne Schaden, denn F. war ein glatter Versager, notiert Nerz brüsk. Das Spiel des Clubs zunächst planvoller und systematischer. Doch die Veilchen blühen langsam auf.

Unsere Vorstöße sind schneller und wuchtiger. Eschenlohr-Schröder kommen gut durch, die Flanke schießt Raue schön flach ein! 1:0.

Damit geht’s in die Pause. Nürnberg strengt sich nun mächtig an. Aber so schön die Kombination ist, zum Erfolg reicht es nicht. Im Gegenteil. Flanke von Schröder auf Raue, der flach zur Mitte passt, Hoffmann braucht nur noch einzuschieben. 2:0! Wer hätte das gedacht? Da das Spiel ziemlich ausgeglichen war, musste das Spiel für uns gewonnen sein. Aber es kam anders. Nürnberg im Glück. Torwart Krüger lässt einen Schuss von Träg unter seinem Körper ins Tor entsenden. Bei nassem Wetter muss der Torwart doppelt vorsichtig sein! Die Glubberer wittern Frischluft, doch zunächst vergeben Wiese und Hoffmann zwei Hundertprozentige. Dann eine sehenswerte Slapstick-Einlage. Leider in den falschen Kasten:

Eine Flanke Trägs köpft Krüger im Werfen mit dem Hinterkopf ins eigene Tor! Damit war der Sieg verschenkt!

Remis! Dem Spielverlauf entspricht das Resultat vollauf. Der sicher geglaubte Sieg! Ihn weggegeben zu haben, geht voll und ganz auf Torwart Krügers Kappe, findet Coach Nerz. Aber natürlich ist ein Spiel gegen den Deutschen Meister für einen „Anfänger“ eine starke Nervenprobe. Das wollen wir nicht übersehen.

Abends sitzen die Kontrahenten wieder im Nordischen Hof zusammen. Doch wegen der unsympathischen Disposition des Nürnberger Clubchefs, des verehrten Herrn Dr. Oberst, verschlingen die Franken das Essen regelrecht und jeder sitzt wie auf Stecknadeln. Denn trotz lebhaften Zuredens will Dr. Oberst nicht einen Zug später fahren. Also werden die Gäste rasch zur Bahn gebracht, und danach besinnt sich die allein gelassene Festgesellschaft auf die Borussengemütlichkeit. Jack Karps Gedächtnis ist etwas trüb:

Ich sah etwas von schwankenden Gestalten, aber ich kann mich auch geirrt haben. Jedenfalls war es mordsnett.

Zum Rückspiel in Nürnberg am 16. August.

Nun sieht die Sache anders aus. Anders als in Berlin, wo Stuhlfauth, Sutor und Riegel fehlten, laufen die Nürnberger in der Meister-Besetzung auf. Jeder einzelne der fränkischen Kicker trug bereits das Trikot der Reichsauswahl. (Zusammen mit Martwig, Lux und Eschenlohr stehen 14 Nationalspieler auf dem Rasen!) Kein Wunder, dass man sich in Nürnberg siegesicher ist.

Den Abend vor dem Spiel vertreiben sich die Veilchen im Variete und bei blauen Zipfele in der Sebaldurklause.

Doch weder die fränkische Gesangs- und Tanzkunst noch die in Sud und Zwiebeln gegarten fränkischen Bratwürstchen drücken tags drauf den Berlinern aufs Gemüt. Es entwickelt sich ein munteres Spiel, in das die Veilchen sich rasch finden. Besonders die Verteidigung zeichnet sich aus. Schönherr-Brunke hatten sich auf das steile Durchspiel des Meistersturms eingestellt und stoppten die Nürnberger immer müheloser ab. Kurz vor Abpfiff des ersten Durchgangs:

Hoffmann bricht durch: von zwei Gegnern bedrängt, zieht er den Ball mit der Sohle zu Raue zurück, der flach einschiebt. Eine Prachtleistung der beiden. Großer Beifall!

Auch nach Wiederanpfiff wackelt die Nürnberger Hintermannschaft gewaltig, während Patrzek, Brunke und Schönherr wahre Wunder vollbringen! Der Nürnberger Keeper Stuhlfauth zeigt erste Unsicherheiten. Aber er hat zu seinem großen Können auch noch einen großen Namen. Er wurde von unserem Innensturm zu sehr respektiert. Das ist ein Fehler. Namen sind Schall und Rauch! Da machte mir die Verteidigung Spaß! Schönherr und Brunke räumten tüchtig auf.

Schließlich bringt ein Handelfmeter die Entscheidung. 1:1.

Die Presse ist begeistert von den unterschätzten Berlinern. Südlich des Mains gäbe es nur wenige Mannschaften, die diesen Verein zu schlagen imstande sind, schreibt das Magazin Fußball. Besondere Würdigung findet auch der Trainer.

Der Prophet

gilt bekanntlich nichts in seinem Vaterlande. Auch der deutsche Sportlehrer kann solches von sich sagen. Und wenn ich sage, nicht ganz mit Unrecht, so mag man es mir nicht übelnehmen — auf den Fußballsport Bezug genommen natürlich. Eine Ausnahme hiervon macht Otto Nerz…

Letztlich kann es nur ein Urteil geben: Die Berliner Tennis Borussen sind Klasse!

Foto: Fußball. Illustrierte Sportzeitung, Nr. 33, 1925. Eine "zügige" Sache vor dem Klubtor. Popp zieht den Ball über sich hinweg.